france
wer kennt nicht jene "vorher-nachher-bilder", mit denen zum kauf von allerlei unnützen dingen geworben wird. auch richard linklater hat sich einem derartigen prozess unterzogen und beide bilderfolgen sind derartig enervierend, dass ich froh über sauseschritts eigentliches motiv war, before sunset zu sehen: die drehorte! denn hier war paris an der reihe, von jenem teil in dem sauseschritt so leibt und lebt.
gequatsche, ja, besonders das von unreifen erwachsenen kann extrem nerven. wenn die beiden noch jung sind, wie in before sunrise, mag das ja noch charmant daherkommen, aber neun jahre später: eine qual sondergleichen.
dennoch: dem film verdanke ich einen wunderschönen nachmittag mit einer sehr jungen und einer ewig jungen dame an einem der drehorte, dem cafe pure. merci beaucoup, mes dames!!! und wann kommt ihr wieder? diesmal mit den harten drogen?
ein wenig pervers ist es schon, die aus wien mitgebrachte deutschsprachige ausgabe von le monde diplomatique in einer pariser metro zu lesen. noch dazu wo ein sauseschritts interesse erweckender artikel über die kinowelt eben dieser stadt berichtet und aus dem französischen übersetzt wurde. aber seis drum. wenn sich der durchschnittspariser so in seiner frankophilen engstirnigkeit kaserniert, so darf auch sauseschritt seine eulen nach paris tragen.
da berichtet philippe person über die programmatik der erst im herbst neueröffneten cinematheque francaise und gibt den trauernden cineasten. nicht nur dass in zeiten der dvd der originalität des filmes deutliche grenzen gesetzt sei; nicht nur dass kino so teuer geworden sei. person wirft der cinematheque vor, zu einem publikumswirksamen kulturspektakels zu verkommen, in dem sie sich zu sehr am massengeschmack orientiere. die zeit des fiebernden cineasten sei vorüber, die massenkultur habe die liebhaberei abgelöst. das mag wohl so sein, liest sich aber mit österreichischen augen doch recht verquer. denn vom alljährlichen medienspektakel der viennale abgesehen, ist wien doch cinematographisch sehr unterbelichtet. warum denn wohl herr haneke gerade in frankreich dreht und dort seine grössten erfolge feiert?
übrigens: die cinematheque befindet sich in unmittelbarer nachbarschaft zu sauseschritts wohnstätte. besucht hat er sie deshalb auch noch nicht: kaum eine chance, sich am wochenende ohne langes schlangestehen in dem prachtbau vergnügen zu können. aber möglichkeiten, in paris gute filme zu sehen, gibt es genug. und auch das angebot an diesbezüglichen dvds für das anspruchsvolle patschenkino ist ausreichend vorhanden. da kann monsieur person trauern so viel er will.
in der kapitale nichts neues. die autos fahren, die metros fahren, staatsdiener dienen, angestellte sind angestellt, unternehmer unternehmen, die studenten studieren..., meint jens badura im links-netz und beschreibt damit recht treffend die zustände in paris, enngleich auch mit dem unvermeidlichen anflug von linkem zynismus.
lohnenswert auch der falter artikel (49/05) von robert misik mit der überschrift welt der nutzlosen: früher wurden die armen ausgebeutet. die heutige unterklasse wird nicht einmal mehr dafür gebraucht. in frankreich tobte die "revolte der überflüssigen". denn immer mehr menschen wissen, dass sie nie zum zug kommen werden.. dazu gibts keinen link, leider.
the cimetière du père-lachaise is the largest cemetery in paris, and one of the most famous cemeteries in the world. located in the 20th arrondissement, père-lachaise is reputed to be the most visited cemetery in the world, attracting hundreds of thousands of visitors a year to the graves of the those who have enhanced French life over the past 200 years. it is also the location of five great war memorials, concludes wikipedia.
eines der für sauseschritt berührendsten bilder auf dem so berühmten friedhof père-lachaise im osten von paris. still, in einem winkel des urnengebäudes, abseits der ausgetretenen touristenpfade. ein wenig selbstvergessen sollten auch die bilder werden, die es wieder einmal auf flickr zu sehen gibt. wen allerdings das interessiert, was auch pro jahr hunderttausende touristen anzieht, dem sei an dieser stelle angeraten, die virtuelle tour auf den friedhof zu nehmen. er wird dort die namen all jener finden, die auch im tod ein wenig mehr bevorzugung erfahren.
sauseschritt hat freilich nur diffuse gedanken:
* ein schlechtes jahr für frankreich: eu-referendum gescheitert, olympische spiele in london statt in paris, häuser- und menschenbrände in paris und dann das ....
* während die europäischen medien mit ihren bildern die apokalypse trommeln, halten sich französische medien vornehm zurück. die folge: besorgte anrufe aus dem ausland von menschen, die mich schon als opfer der unruhen sehen und um ihren arbeitsaufenthalt oder urlaub in paris fürchten. die amerikanische botschaft in paris warnt davor, den rer b (flughafenzug nach cdg) zu benutzen, weil er auch in aulnay sous bois hält;
* sauseschritt findet die bewaffneten und uniformierten männer aller art an den grossen bahnhöfen und metrostationen unerträglich, die polizeisirenen nächtens aber doch recht bedenklich: grosstadtapokalypse?
* autos in brand zu setzen, scheint ja massensport in französischen städten zu sein; und das, was in den banlieus passierte, war vorhersehbar und wird gewiss wieder geschehen. die ignoranz vieler pariser gegenüber dem, was der turbokapitalismus anrichtet, ist schier unglaublich;
* luc bessons film banlieue 13 verkauft sich im weihnachtsgeschäft offenbar sehr gut und ist in allen filialen von virgin megastore prominent ausgelegt. warum als voyeur/in raus in die (betroffenen) banlieues fahren, wenn es sich ganz bequem auch von zu hause der rebellion des französischen lumpenproletariats folgen lässt? abenteurer/innen können sich jedoch auch in das 18. arrondissement vorwagen, leicht mit der metro erreichbar, schaurig schön im merian-heft paris nachzulesen: maigret, ah ja !!!!!
* die stadtzeitung für den pariser bobo, zurb@n bringt knapp vor dem ausbruch der gewalt im banlieu einen langen artikel über das glück in den banlieues, inklusive wohn - durchschnittspreisen: du bonheur en banlieue à saint-quen, montreuil, malakoff, pantin ...... warum also nicht ins "gute" banlieue ziehen?
* ich weiss endlich, warum ich mich beim anblick der szenen aus dem banlieu (stimmungsmässig) erinnert fühle: an stimmung, farbe und hintergrund der realfiction in lars von trier´s the element of crime aus den achtziger jahren!
* aber wen interessiert das alles noch, nachdem die medien endlich schweigen?
natürlich ist es nicht ganz korrekt, einträge mit altem material zu füllen. manche nutzen ja das medium um das opus magnum alter urlaubsfotos zu veröffentlichen. das ist ja bei aller definitionsoffenheit von weblogs aus sauseschritts perspektive nicht ganz ok. aber: die ausnahmen bestätigen wohl die regel. deshalb darf an dieser stelle an die nuit blanche 2005 erinnert werden. selbstverständlich haben auch andere dazu gebloggt, paris photobloggers nicht ausgenommen.
was ist also nuit blanche? ein ästhetisch überschätztes lichtspektakel, das auf mehreren parcours, die durch paris gelegt werden, veranstaltet wird? ein jahrmarkt künstlerischer eitelkeiten? teil einer gegenbewegung zum konzept autoritativer stadtverwaltung, wie es die zeit in ihrem artikel über die helden des rückzugs beschreibt? oder einfach nur eine nacht anfang oktober, in der man/frau auch nächtens die stadt kennenlernen kann, sich von einer lichtinstallation zur anderen hantelnd? sei´s drum, es war schön, mit all den leuten und einem bier in der hand im strom der besucher/innen zu schwimmen. sauseschritt war auf den nouvelle vagues (sic!) unterwegs, natürlich mit kamera, auf flickr gibts mehr davon zu sehen!
hier ist aber zunächst nicht von den banlieus zu berichten, sondern vielmehr von dem, was zum ideologischen rückgrat von la france gehören mag: dem film etwa und der unvermeidlichen heiligen johanna von orleans.
vor kurzem hat mk2 ein dvd-kassettenpaket mit den werken robert bressons herausgegen, darunter auch der 1962 entstandene proces de jeanne d´arc. wie auch alle anderen werke bressons, in schlichtheit und kargheit des ausdrucks höchst beeindruckend. während also die nationale und religiöse konnotation dieser frau von den protagonist/inn/en der macht aufs unverschämteste ausgebeutet wurde und wird, kehrt bresson zu den historischen texten zurück und zeigt eine junge, selbstbewusste und zärtliche frau, die ihren überzeugungen folgt und an den politischen und kirchlichen mächten ihrer zeit fast zwangsläufig scheitert.
auch luc besson, der vielfach überschätzte und hinreichend erfolgreiche geschichtenerzähler der gewalt, hat sich des stoffes bedient und zeigt eine besessene, manisch überagierende moderne heroin, die sich nur wenig von den ideologisch so besetzten filmheldinnen dieses jahrzehnts unterscheidet.
wie immer erscheint alles wie in einer verkehrten welt: während also luc besson seine heldin als (religiöse, politische) manikerin desavoiert, zeigt robert bresson die schwierigkeit selbstgewählter wahrhaftigkeit. diese hat nur am rande mit religion zu tun, wenn auch bresson für diesen film den prix de l´office catholique erhalten sollte. denn aus einer religiös und politisch überhöhten gallionsfigur wird ein zorniges, selbstbewusstes mädchen, das heute (wie damals?) auch ohne kirche verstanden werden sollte.
ja endgültig für einige zeit: letzter wiener arbeitstag für sauseschritt -> nur mehr packen und dann ab die post!
nichts ohne grund: schon (einmal ....) hat sauseschritt auf das elend der immigrant/inn/en (auch) in paris hingewiesen. nach den bränden in den elendsquartieren der stadt fanden auch vorgestern öffentliche gedenkfeiern statt. indymedia paris berichtet mit einer bildreportage.