manchmal, wenn die sonne scheint, tritt auch sauseschritt auf den balkon seiner wohnung im 12. arrondissement und sieht in den innenhof: auf einen kosmos von einander unbekannten. nur von dort dringen die geräusche in sauseschritts zimmer: das quietschen der rollos am morgen, das schließen und öffnen der aluminiumfenster, das geschrei der kinder aus der naheliegenden schule, die sirenen von polizei und rettung. manchmal, meist am wochenende auch partygeräusche. sonst nur das rauschen des wassers während der morgendlichen toilette der familie über mir. die morgendlichen und abendlichen begegnungen im engen aufzug verbreiten fast so etwas wie intimsphäre: bon jour, bon journée - bon soir, bon soirée - merci madame, monsieur: c´est toute la vie. ob das reicht für die bewohner/innen eines wohnblocks, der sich stolz residence esterelle nennt?
hier ist aber zunächst nicht von den banlieus zu berichten, sondern vielmehr von dem, was zum ideologischen rückgrat von la france gehören mag: dem film etwa und der unvermeidlichen heiligen johanna von orleans.
vor kurzem hat mk2 ein dvd-kassettenpaket mit den werken robert bressons herausgegen, darunter auch der 1962 entstandene proces de jeanne d´arc. wie auch alle anderen werke bressons, in schlichtheit und kargheit des ausdrucks höchst beeindruckend. während also die nationale und religiöse konnotation dieser frau von den protagonist/inn/en der macht aufs unverschämteste ausgebeutet wurde und wird, kehrt bresson zu den historischen texten zurück und zeigt eine junge, selbstbewusste und zärtliche frau, die ihren überzeugungen folgt und an den politischen und kirchlichen mächten ihrer zeit fast zwangsläufig scheitert.
auch luc besson, der vielfach überschätzte und hinreichend erfolgreiche geschichtenerzähler der gewalt, hat sich des stoffes bedient und zeigt eine besessene, manisch überagierende moderne heroin, die sich nur wenig von den ideologisch so besetzten filmheldinnen dieses jahrzehnts unterscheidet.
wie immer erscheint alles wie in einer verkehrten welt: während also luc besson seine heldin als (religiöse, politische) manikerin desavoiert, zeigt robert bresson die schwierigkeit selbstgewählter wahrhaftigkeit. diese hat nur am rande mit religion zu tun, wenn auch bresson für diesen film den prix de l´office catholique erhalten sollte. denn aus einer religiös und politisch überhöhten gallionsfigur wird ein zorniges, selbstbewusstes mädchen, das heute (wie damals?) auch ohne kirche verstanden werden sollte.