jubeloesterreich 2005
... in frei`s buch wird behauptet, dass die erinnerung an die ns-zeit gegenwärtiger denn je sei, wiewohl die epoche vom aussterben der zeitzeugen geprägt ist und wir uns an der schwelle von der erfahrung zur geschichte befinden. dies ein befund, der schon an unterschiedlichster stelle [1 ....], [2 ....] von sauseschritt angesprochen wurde. erinnerungskämpfe brächen aus. letztendlich müsse nicht mehr länger falsche rücksicht auf die biografien und interessen der involvierten genommen werden. was ganz wichtig ist: 1945 werde nicht mehr ausschließlich als bruch zur zeit des ns-regimes betrachtet, sondern kontinuitäten in die nachkriegszeit werden stärker betont. frei gibt auch eine "epocheneinteilung" einer lernenden demokratie, die allerdings eng an die entwicklungen in deutschland angelehnt ist. 1945 - 1949 die phase der politischen säuberung, in den fünfziger jahren die phase der sgn. vergangenheitspolitik (etwa: rückgängigmachung der entnazifizierung); die phase der vergangenheits bewältigung ende der 50er jahre und ab ende der 70er jahre auch die veränderung der sicht auf die deutsche wehrmacht. schließlich heute: die epoche der opferkonkurrenz (stichwort: opfer der deutschen versus deutsche als opfer).
es wäre interessant die österreichischen verhältnisse auf diese entwicklungen hin zu untersuchen. sauseschritt fällt hier vranitzky´s rede 1991, die wehrmachtsausstellung, der restitutionsfond und die aufarbeitung der geschichte des bundes sozialistischer akademiker/innen (bemerkung von kaspar einem) ein.
dann berichtet sauseschritt von seiner gegenwärtigen lektüre: jorge sempruns "was für ein schöner sonntag" und da niemand in der runde zu erkennen gab, daß ihm/ihr der autor oder das buch bekannt sei, schloß sauseschritt eine kleine inhaltsangabe und evaluation an. denn wichtig war zu sagen, dass die intellektuelle redlichkeit des autors in seiner auseinandersetzung mit faschismus und stalinismus eine selten zu findende sei: der ehemalige kz häftling und führende funktionär der kommunistischen partei spaniens setze sich in der aera des franco regimes mit den folgen des gulag auseinander - radikal, offen und verantwortungsvoll.
das sei bewundernswert und verdiene unsere hochachtung, schließt sauseschritt seine kleine rede. und dann fällt der blick auf die fast erschrockene miene des kollegen aus polen: wieviel hätte wohl er zu erzählen? und könnte er dies? wie frei sprechen wir uns, die im warmen aufgewachsen sind und die revolution als interessanten zeitvertreib betrieben haben. die geschichte, das kommt und geht im gedächtnis, es ist zum verrücktwerden, meint jorge semprun.
children react in a different way than grown-up people. i was wandering for three years. there was no peace. the peasants, if they knew I was jewish, they would have probably killed me. so I had to be very alert, very careful, explains the jewish autor aharon appelfeld in an interview with the boston review when asked by anne person about his terrifying time as a young boy trying to escape the nazi terror.
die erste gegegnung sauseschritts mit einem menschen, der seine kindheit in einem konzentrationslager zubringen mußte, liegt nun doch schon einige jahre zurück. die arbeitsbeziehung mit ihm war merkwürdig gespannt und nicht frei von friktionen, wohl auch deshalb, weil sich sauseschritt eigenartig befangen war von der vorstellung als kind den grauen der nazizeit erlebt zu haben. bis heute denkt sauseschritt an den fahrigen und stark rauchenden mann zurück, der so viel unruhe in seinem gegenüber auslösen hatte können.schon mehrmals wurde in der literatur insbesondere in diesem jahr darauf hingewiesen, daß mit dem aussterben der zeitzeugen des holocaust nunmehr auch die wahrheit darüber auf dem prüfstand stehen könnte. was bleibt sind jene, die ihre kindheit in den konzentrationslagern verbracht hatten und die als zeugen ihrer zeit nie ganz ernst genommen worden waren. der 1932 geborene israelische schriftsteller aharon appelfeld ist einer von Ihnen. anläßlich des diesjährigen erscheinens seiner biografie geschichte eines lebens ist auch ein artikel in le monde diplomatique erschienen, in der sich der autor mit dem thema kindheit und holocaust auseinandersetzt. eine ganz wichtige stelle daraus: die einstigen kinder haben die kriegsjahre mit ihrem ganzen körper aufgesogen. kein wunder, dass ihre zeugnisse von den erwachsenen überlebenden abgelehnt wurden, als eingebildete und verzerrte wahrnehmung, die ein so gravierendes thema verharmlose. und heutzutage, angesichts der wachsenden tendenz, den holocaust zu leugnen, hört man häufihg: haltet die holocaust-zeugnisse frei von euren subjektiven fantasien. ihr solltet euch mehr auf die fakten konzentrieren. den leuten fällt es schwer, zu akzeptieren, dass jede und noch die eindeutigste situation unterschiedlich wahrgenommen werden kann, und das gilt erst rechjt für die erinnerungen von kindern.
dazwischen waren die sgn. 68er: die beschäftigung der söhne und töchter mit dem, über das nie gesprochen wurde, brach erstmals in der öffentlichen und literarischen diskussion auf. peter henisch, der sich mit der geschichte seines vaters seit nunmehr jahrzehnten auseinandersetzt, ist paradigmatisch für diese sehr persönliche (und auch von politischer abarbeitung motivierte) auseinandersetzung. 2003 ist eine neu überarbeitete und erweiterte ausgabe des buches erschienen und 2004 hat das wien museum den bildern des pressefotografen walter henisch die reflexion seines sohnes in einer ausgezeichneten ausstellung gegenübergestellt. sauseschritt hat darüber [berichtet ....].
ich hatte die kriegsbilder meines vaters schon als kind zahllose male betrachtet. zwar war ich überhaupt umgeben von bildern aufgewachsen, aber unter all diesen bildern spielten die kriegsbilder eine besondere rolle. betrachtete ich als kind die kriegsbilder meines vaters, so mußte ich aufpassen, daß ich nicht in sie hineingeriet. war ich einmal in den kriegsbildern meines vaters drin, so kam ich nur schwer wieder aus ihnen heraus. (aus: die kleine figur meines vaters)
es gibt natürlich auch andere, als diese sehr persönlichen zugänge zur bewältigung von familiengeschichte, etwa martin pollacks buch, das erst 2004 erschienen ist. es scheint, als ob die (immer größer werdende) distanz zum zweiten weltkrieg auch ein allgemeines emotionales "cooling down" bewirkt hätte; jedenfalls ist die perspektive von pollacks "der tote im bunker" jener von henisch diametral entgegengesetzt. während henisch in emotionaler abarbeitung wohl nie die letztfassung des buches vorlegen wird wollen, ist die minutiöse recherche pollacks zur geschichte seines vaters, des ss sturmbannführers bast, aus anderen gründen nicht abschließbar: wann käme man(n) mit seiner historisch legitimierten akribie endlich zurecht? wie schreibt pollack so penibel in seiner schlußbemerkung:
er (der zeitgeschichtler gerhard zeillinger) wies mich auf unbekannte quellen hin, öffnete mir sein reiches archiv, versorgte mich mit zahllosen informationen über die geschichte von amstetten und sparte nicht mit kritischen anmerkungen, die mich vor poeinlichen fehlern bewahrten.
die beiden bücher "zusammenzulesen" ist in jeder hinsicht ein großer gewinn, vor allem dann, wenn die biografie des eigenen vaters (und die erinnerung an ihn) begriffen werden soll.
a walk through the vanished world of vienna's jewish quarter beyond the danube canal. leopoldstadt, vienna's second district, was once a hub of jewish life. some of the town's finest synagogues were to be found there, also a wide array of jewish shops, clubs, theatres and coffeehouses, and the splendid grain exchange, focal point of jewish commercial interests. leopoldstadt was also a central-european stronghold of zionism and chassidism. sigmund freud spent his youth there, composers arnold schönberg and oscar strauss were born there. this jewish world was brutally destroyed in the shoah, but new jewish life is coming back, informs ms. brigitte timmermann and offers a respective city tour.
nachdem der [erste stadtspaziergang ....] durch wien innere stadt geführt hatte, begehen wir nun die leopoldstadt an einem bitterkalten sonntag nachmittag. die umgebung des karmeliter marktes, die so von der perspektive eines entspannten samstag - morgen - einkaufs geprägt ist, weist unmißverständlich auf die katastrophen österreichischer geschichte. wer genauer hinsieht und weiß, wird kaum mehr von der naivität des alltagslebens geschützt werden.jene schule etwa (siehe bild oben, weißes haus im hintergrund) in der kleinen pfarrgasse, an der die nüchterne tafel mit folgendem inhalt angebracht ist: zum gedenken an die 40.000 mitbürger/innen, die in der zeit vom oktober 1941 bis märz 1943 in diesem teil der schule in gestapohaft waren und von hier in die vernichtungslager deportiert wurden. -niemals vergessen (text zitiert nach denkwürdiges wien). so gäbe es zu jedem bild seine gar nicht jubelnde(n) geschichte(n).
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entnommen der website von ried in der riedermark.
die von der ss zynisch als "mühlviertler hasenjagd" bezeichnete mörderische hetze auf geflohene häftlinge des konzentrationslagers mauthausen vor 60 jahren war thema einer gemeinsamen gedenkveranstaltung der drei betroffenen Gemeinden mauthausen, schwertberg und ried in der riedmark dienstagabend. Die "mühlviertler hasenjagd" zählt zu den schlimmsten kapiteln der österreichischen geschichte.in den tagen vor dem ende des zweiten weltkrieges, am 2. februar 1945, um 0.50 uhr, wagten rund 500 russische häftlinge des konzentrationslagers mauthausen einen organisierten ausbruchsversuch - der größte in der geschichte der ns-konzentrationslager. die für den betrieb des konzentrationslagers zuständige ss startete die von ihr ausgerufene "mühlviertler hasenjagd". den sicherheitskräften und der bevölkerung in der umgebung wurde mitgeteilt, es seien 500 "schwerverbrecher" aus dem kz ausgebrochen, die eine große gefahr darstellten. sie müssten sofort "unschädlich" gemacht werden. keiner dürfe lebend in das kz zurückgebracht werden. es begann ein großes morden. nur etwas mehr als ein dutzend der geflüchteten überlebte. neben den mühlviertlern, die mitmachten, gab es auch etliche, die den fliehenden häftlingen unter großer persönlicher gefahr halfen und sie zum teil sogar monatelang versteckten.
für die opfer, jene, die damals halfen und dafür, dass die menschen immer zivilen mut beweisen sollten, organisierten die gemeinden mauthausen, schwertberg und ried in der riedmark eine gemeinsame gedenkveranstaltung, die zuerst zeitgleich in mauthausen und schwertberg begann und daran anschließend in ried in der riedmark fortgesetzt und beendet wurde. an ihr nahmen unter anderem der oberösterreichische landeshauptmannstellvertreter haider und der salzburger landesrat buchinger teil.
schreibt apa. nur wenigen medien fällt über diese meldung hinaus etwas ein. es ist meist weniger, wie kurier, oberösterreichische nachrichten oder orf.at beweisen. hätte man/frau aus den lokalen medien nicht auch oben erwähnte veranstaltung besuchen und darüber berichten können? auch dies mag als hinweis auf die relevanz unseres jubeljahres gelten! empfehlenswert an dieser stelle auch der schon mehrmals ausgestrahlte spielfilm von andreas gruber ("hasenjagd", 1994). sehen sollte sauseschritt allerdings auch den entsprechenden dokumentarfilm "aktion k", der im zuge der dreharbeiten gedreht wurde.
this is the title of an exhibition currently shown at the un headquarters in new york. listening to the news of today, it seems that journalists are more analysing the reasons why there had never been a special session of the united nation´s general assembly on the holocaust than the fact that the holocaust happened.
manchmal weisen zufälle den richtigen weg zu geschehnissen, die aufgrund ihrer schrecklichkeit dazu neigen ins unbewußte abzutauchen. so auch jetzt, auf dem rückweg von turin, die "zufallskette": turin->primo levi->auschwitz.primo levi hat sein ganzes leben in dieser, seiner heimatstadt verbracht, bis auf jene jahre, in denen er in auschwitz die grenzen der menschlichkeit erfahren mußte: dies eine erfahrung, von der er stets zeugnis ablegte, bis er sich 1987 das leben nahm. sauseschritt ist entsetzt, dass angesichts des lärms des österreichischen jubeljahres in diesem blog beinahe auf jenen jahrestag vergessen wurde, der anlaß für franziska augsteins artikel in der süddeutschen zeitung war: am 27. jänner vor 60 jahren wurde das konzentrationslager auschwitz befreit.
wenn elie wiesel vor der vollversammlung der vereinten nationen sinngemäß davon spricht, dass die welt möglicherweise (!) den opfern erstmals zuhöre, so ist es demnach richtig die folgenden fragen zu stellen: wie schildert man dinge, die man nicht schildern kann? wie schreibt man über auschwitz? wenn es so ist - und das muss nach sechzig jahren akzeptiert werden -, dass die erfahrung des lagers nicht ganz mitgeteilt werden kann und von denen, die zuhören wollen, auch nicht ganz begriffen werden kann, dann bleibt den zuhörern nur der taktvolle umgang mit den zurückgekommenen und ihrer geschichte. takt zeigt sich im interesse für das detail, auch wenn die kenntnis davon der selbsterfahrung keine emotionalen höhenflüge beschert und nicht unmittelbar karrierefördernd ist ein lohnenswerter artikel von franziska augstein, der leider bislang nicht online verfügbar ist, und in der februarausgabe der zeitschrift internationale politik und gesellschaft erscheinen soll.
fischer will rehabilitierung der deserteure aus der hitler-armee - partik-pable sieht sache "juristisch erledigt" - republik würdigt bei tagung im parlament österreichischen widerstand 1938-1945, berichtet der heutige online standard.
im selben medium auch ein hinweis auf den geistigen und emotionalen zustand freiheitlicher funktionsträger. während die eine das thema als ohnehin juristisch erledigt betrachtet, brütet der andere seine infantilen phantasien öffentlich (!) aus: sisi land im jubeljahr. das nebenstehende bild ist deshalb ein stummer kommentar zu beiden letztgenannten.
es ist dringend notwendig, sich gedanken über den schändlichen umgang österreichs mit deserteuren der wehrmacht zu machen. Die ns-justiz vollstreckte während des zweiten weltkriegs über 15.000 todesurteile wegen fahnenflucht (zum vergleich: ein einziges vollstrecktes todesurteil wegen dieses delikts in den usa, keines in gb). wehrmachtsdeserteure wurden zu hunderten am kagraner schießplatz ermordet, teilweise verscharrt und einige dutzend leichen in schachtgräbern am zentralfriedhof bestattet. ohne ehre, ohne namen. die ehre dieser menschen gilt es wiederherzustellen. wien kann mit einem denkmal für deserteure ein deutliches und längst überfälliges zeichen setzen.
do we really wish to remember these days in austria? let us start with the jewish vienna.
60 Jahre befreiung, 50 Jahre staatsvertrag, 10 jahre EU-mitgliedschaft - im so genannten jubiläumsjahr 2005 steht österreich ein neuerlicher schub an geschichtsverzerrung und chauvinismus, an opfermythen und diversen rot-weiß-roten identitätskonstruktionen bevor,ist auf dem jubiläumsjahr - vorsorgepaket zu lesen. dann will sauseschritt ein wenig zum gedenken beitragen. ein stadtspaziergang vielleicht, geführt von einem band der falter city walks. die erste etappe durch das jüdischen wien in erich kleins denkwürdiges wien:© all photos of this entry are taken by the author and explicitely subject to the GNU free documentation license