traumfabrik kommunismus. die visuelle kultur der stalinzeit. 24. september 2003 - 4. jänner 2004
die schirn zeigt parallel zur franfurter buchmesse 2003 eine grosse ausstellung zur kunst der stalinzeit.
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(nov 2, 2003), schirn, frankfurt: eine der besten ausstellungen, die ich seit jahren gesehen habe. inmitten der etwas verzopften und architektonisch so misshandelten stadt die kunsthalle schirn. und hier tun sich welten zur massenkultur der sowjetunion auf, die in dieser klarheit und diesem facettenreichtum noch nie gezeigt wurden. eine sehr funktionale ausstellung zudem: klare thematische blöcke, dazu ein "reklamheftchen" mit gut lesbaren hintergrundinformationen zu jedem exponat. und schliesslich die gut gelungene inszenierung zwischen ideologie und distanzierung. der kurzführer beschreibt die grundidee der ausstellung folgendermassen:
die kultur des stalin?schen realismus gehört jener zeit an, in der die heutige globale massenkultur zu ihrem historischen durchbruch gelangte und die prägende funktion erhielt, die sie nach wie vor innehat. während die westliche kommerzielle massenkultur aber bis heute von marktmechanismen definiert wird, funktionierte die stalin?sche massenkultur in abwesenheit des marktes. statt den massen gefallen zu wollen, hatte sie sich zum ziel gesetzt, diese massen zu "neuen menschen umzuerziehen."
und da gibt es ja auch noch den schönen, in bordeauxrot und gold gehaltenen werbeprospekt:
die kultur der stakinzeit war im gegensatz zur nazikunst, die sich an der vergangenheit orientierte, stets zukunftsbezogen und kann nicht als simpler rückgriff auf die tradition der naturalisitischen malerei des 19. jahrhunderts gewertet werden. vielmehr setzte sie in dieser hinsicht die strategie der russischen avantgarde fort, die ihrerseits immer schon das ziel einer totalen ästhetisch-politischen umgestaltung des lebens verfolgt hatte. unter stalin wurde dieses projekt, wenn auch unter verwendung anderer künstlerischer und politischer mittel, weiter betrieben: die sowjetunion wurde als gesamtkunstwerk und der sozialistische realismus als einheit von kunst und macht verstanden.
die ausstellung hätte es sich verdient, als wanderausstellung auch an anderen orten und in anderen städten zu gastieren. da sie aber auf jeden fall bis 4. jänner 2004 in frankfurt zu sehen ist, lohnt die anreise auf jeden fall!!
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