wir nähern uns mit riesenschritten dem ersten mai. während so manche genoss/inn/en der spö sich in wien für den maiaufmarsch vorbereiten und dabei wie immer alte klischees breittreten, sind im landumlaa andere merkwürdige gestalten unterwegs: die maibaum wichtigtuer.
sauseschritt wurde mit diesen merkwürdigen gestalten erst kürzlich konfrontiert, auf dem weg nach poysdorf. in einem waldstück entlang des bundesstraße großes remmi temmi. der straßenrand zugeparkt, jede menge nutzfahrzeuge, viel gröhlen und aufgeregtheiten. dann, in weiterer verfolgung der straße, der maibaumtransport vor uns. ein traktor zieht, ein altes, abgewracktes auto bildet die auflage für den stamm und dahinter eine art motorisierter pferdewagen mit betrunkenen, die ihrem bäumchen folgen. österreichische volkskultur eben: die niederösterreichische spielart. man zeigt mit fingern auf uns und ruft uns derbe scherzworte zu als wir geduldig und völlig entgeistert hinter der erscheinung herfahren. hinter dem brauchtum muß die metropole einmal, ja diesmal zurückstecken. wien gegen niederösterreich, das ist brutalität.
was hat es nun mit dem maibaum auf sich? sauseschritt hat recherchiert und gefunden:
um den maibaum, der am ersten mai aufgestellt wird, spielen sich verschiedenste bräuche ab. dazu gehören die maibaumbeschaffung aus dem wald, seine entrindung, das schmücken, aufstellen und bewachen, aber auch die sportlich-spielerische entwendung des maibaums einer nachbargemeinde und die feier seiner auslösung mit freibier durch die besitzer. neben bemalten maistangen, deren wipfel naturbelassen, bekränzt oder mit einer krone ausgezeichnet sind, gibt es, besonders im gebiet südlich von münchen, maibäume mit figurenschmuck, der häuser, kirchen, handwerkszeuge, tanzpaare oder religiöse motive abbildet und seitlich am stamm befestigt wird.
aber muß man dazu ständig betrunken sein?, denkt sauseschritt mit aller verfügbarer distanz von arroganten stadtbewohnern. nach erfolgreichem überholmanöver finden wir zu dem dörfchen, das auf seinen anrollenden maibaum bereits wartet: männer (ja richtige männer), mit dopplern bewaffnet, blockieren das plätzchen neben der straße. nimmt es denn kein ende heute? denn schon zuckeln wir hinter dem nächsten maibaum transport her.
In unser Tal in Yorkshire gibt es aber ein ganz merkwürdiges Brauch. Ein Dorf stiehlt den Maibaum des nächstgelegenen Dorfes: zwischen jener Dörfe, dessen Volk sich als überdurchschnittlich kleptoman erweist, entsteht ja einer Art Vendetta. Zum Beispiel haben die Nester Pateley Bridge und Burnsall seit langem ihren Maibäume voneinander geklaut. Ein Maibaum entführen ist alles anders als leicht - da wird einen Tieflader sowie ausreichende Arbeitskräfte und natürlich auch Information aus letzter Zeit benötigt, was ein gewisser Organisationsgrad nachweist.
Den Tieflader allerdings braucht man, da die teilnehmenden Dörfer im allgemeinen besonders stark auf das Maibaumkult setzen und passende Bäume aufstellen. Hier spielen sich vielleicht die Grundlagen eines Stammes- bzw. Bürgerkrieges aus: der Führer, den Zufeldeziehen, die Eroberung, der Spion im feindlichen Lager/Verräter im eigenen, die Wacht/die Verteidigung, die feierliche Einzug in der Heimat. Nur Blut gibt's nicht. Doch, wie in Niederösterreich, fließt eine gewisse Menge Bier.
Die Ursprünge dieses seltsamen Kultes sind sicher in der Psychoanalyse zu finden: wenn das Maibaum selber einen phallus darstellt und daher die Fruchtbarkeit (~Frühling), dann wäre die Maibaumentführung ein Kastrationsmythos.
Anthropologie: nicht nur für Profis...