belarus
eine kostprobe aus minsk:
ich verließ die peter- und paulskirche, ging die paar schritte zum prospekt mascherowa. haus eins, korpus zwei, kwartira vierzehn. ich zögerte lange am klingelknopf. hinter der tür wartete eine geschichte, das heißt, sie wartete nicht mehr, diese erinnerungsklingel war schon oft gedrückt worden. die erinnerung hinter der tür war im deutschen fernsehen gewesen, in deutschen zeitungen, im deutschen rundfunk. erinnerung war neben holz der einzig exportfähige rohstoff des landes, und aus dem westen, wo der stoff knapper wurde, reisten reporter, drehbuchautoren, schriftssteller an, um ihn hier abzubauen. mein finger lag am klingelknopf, irgendetwas redete mir zu. ja doch, der osten ist ein geschichtengrab, ein tagebau des tragischen, der stoff liegt dicht unterm gras, er ist wirklich roh, unbearbeitet, ungeschliffen. in seiner amoralischen schönheit hat er mehr ähnlichkeit mit bizarren sagen als mit den erbaulichen fabeln, die eine nach moral dürstende zeit favorisiert. ich klingelte.